Altkanzler Helmut Schmidt warnt uns eindringlich: Die Ukraine-Krise verschärft sich immer weiter. Ich halte nichts davon, einen dritten Weltkrieg herbeizureden. „Aber die Gefahr, dass sich die Situation verschärft wie im August 1914, wächst von Tag zu Tag.“ Die Kommissare verstehen nichts von Weltpolitik. Die EU mischt sich zu sehr in die Angelegenheiten anderer Staaten ein. „Das jüngste Beispiel ist der Versuch der EU-Kommission, die Ukraine anzugliedern“, sagte er. Falsch sei auch, Georgien an sich zu ziehen. „Das ist Größenwahn, wir haben dort nichts zu suchen.“ Die EU hat die Ukraine gezwungen, sich zwischen West und Ost zu entscheiden. Die Europäer verhalten sich wie die Kriegsparteien vor dem Ersten Weltkrieg.

Helmut Schmidt schließt sich der Kritik Altkanzler Schröders an der westlichen Ukraine-Politik an.
Helmut Schmidt schließt sich der Kritik Altkanzler Schröders an der westlichen Ukraine-Politik an.(Foto: picture alliance / dpa)
Freitag, 16. Mai 2014

Altkanzler fühlt sich an 1914 erinnertSchmidt wirft EU „Größenwahn“ vor

Altkanzler Schmidt wirft der Europäischen Union vor, sich in die „Weltpolitik“ einzumischen. In der Ukraine und Georgien habe die EU „nichts zu suchen“. Schmidt sieht die Gefahr, „dass sich die Situation verschärft wie im August 1914“.

Nach Gerhard Schröder hat mit Helmut Schmidt ein weiterer SPD-Altkanzler die Ukraine-Politik des Westens scharf kritisiert. In der „Bild“-Zeitung warf er der EU-Kommission vor, sich in die „Weltpolitik“ einzumischen.

„Das jüngste Beispiel ist der Versuch der EU-Kommission, die Ukraine anzugliedern“, sagte er. Falsch sei auch, Georgien an sich zu ziehen. „Das ist Größenwahn, wir haben dort nichts zu suchen.“ In den vergangenen Tagen hatten etliche aktive und ehemalige SPD-Politiker kritisiert, die EU habe die Spannungen in der Ukraine-Krise mitverursacht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wies diese Ansicht zurück. Der „Frankfurter Allgemeinen“ sagte sie, man solle nicht vergessen, dass es der frühere ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch gewesen sei, der das Assoziierungsabkommen mit der EU angestrebt habe. „Erst in letzter Minute ist er von der Unterzeichnung abgerückt, hat sie aber damals für einen späteren Zeitpunkt in Aussicht gestellt.“ Für Russland gebe es „keinerlei Rechtfertigung dafür“, gegen die territoriale Integrität der Ukraine vorzugehen.

Altkanzler Schmidt kritisierte auch die Bundesregierung. Die von Außenminister Frank-Walter Steinmeier geplante Genfer Konferenz Mitte April sei sicher dringend geboten gewesen. „Aber zurzeit gibt es leider niemanden, der konstruktive Vorschläge zur Zukunft der Ukraine vorbringt.“

Außerdem äußerte der Altkanzler Besorgnis darüber, dass sich die Krise in der Ukraine von Tag zu Tag verschärfe. Er halte zwar nichts davon, einen dritten Weltkrieg herbeizureden. „Aber die Gefahr, dass sich die Situation verschärft wie im August 1914, wächst von Tag zu Tag.“

http://www.n-tv.de/politik/Schmidt-wirft-EU-Groessenwahn-vor-article12841601.html

http://www.n-tv.de/politik/Helmut-Schmidt-sagt-nicht-die-Wahrheit-article12844481.html

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7 Antworten zu Altkanzler Helmut Schmidt warnt uns eindringlich: Die Ukraine-Krise verschärft sich immer weiter. Ich halte nichts davon, einen dritten Weltkrieg herbeizureden. „Aber die Gefahr, dass sich die Situation verschärft wie im August 1914, wächst von Tag zu Tag.“ Die Kommissare verstehen nichts von Weltpolitik. Die EU mischt sich zu sehr in die Angelegenheiten anderer Staaten ein. „Das jüngste Beispiel ist der Versuch der EU-Kommission, die Ukraine anzugliedern“, sagte er. Falsch sei auch, Georgien an sich zu ziehen. „Das ist Größenwahn, wir haben dort nichts zu suchen.“ Die EU hat die Ukraine gezwungen, sich zwischen West und Ost zu entscheiden. Die Europäer verhalten sich wie die Kriegsparteien vor dem Ersten Weltkrieg.

  1. Hamburger Jung schreibt:

    Schmidt hat hier unrecht. Wie so oft, wenn es um Menschenrecht und Selbstbestimmung geht. Die Menschen in der Ukraine und Georgien wollen in die EU. Und sie wollen, wie wir sehen mehr als berechtigt, den Schutz der NATO. Der Kanzler ist alt, sehr alt und kriegt offenbar manches nicht mehr auf die Reihe.

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  2. Markus Bartl schreibt:

    Kommentar zu Helmut Schmidt (Schmidt wirft der EU Größenwahn vor)
    Beitrag von Markus Bartl, Landshut
    Niemand redet vom 3. Weltkrieg, aber Helmut Schmidt tut es, indem er sagt, er rede nicht davon. Der rhetorisch brillante Altkanzler muss wissen, was er sagt, oder? Sein Denken und Reden, seine Basis, auf der er immer wieder kategorisch klare und unmissverständliche Ratschläge verteilt, sind nicht zu trennen von seiner Biografie, seiner Zeit als Kanzler oder Herausgeber der Zeit und Autor. Wir Deutschen haben den größten Respekt vor ihm. Das heißt aber nicht, dass wir in Helmut Schmidt einen alten Staatsmann haben, der nicht irrt oder der aufgrund seiner Geschichte eine doch etwas starre Vorstellung von der Welt entwickelt hat. Er weiß viel und die, die jetzt Verantwortung tragen, „verstehen nichts von Weltpolitik“. Das hört sich leider eher nach Altersstarrsinn oder Besserwisserei an, als nach wirklich konstruktiven Ratschlägen. Offensichtlich verhält es sich eher so, dass der Altkanzler, verhaftet im Denken des dualen Machtgefüges zwischen Ost und West, verpasst hat zur Kenntnis zu nehmen, dass mit der Auflösung der Sowjetunion selbständige Staaten entstanden sind, die ein Recht auf eine eigene Außenpolitik, ein Recht auf eine eigene gesellschaftliche Entwicklung haben. Nicht alle Staaten der ehemaligen Sowjetunion haben sich für eine freie und liberale Gesellschaft entschieden, darunter sind neben dem Baltikum Georgien, Ukraine, Moldau und Kirgisien. Niemand redet von den Diktaturen in Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, Aserbaidschan, Belarus oder Kasachstan. Für Schmidt existiert der Anspruch auf Einfluss und quasi Territorium der UDSSR im Prinzip noch immer. Es ist bemerkenswert, dass westeuropäische Linke diesem überholten starren Weltbild anhängen. Es ist zudem noch bemerkenswerter, wie eindimensional die russische imperialistische Politik durch Vergleiche mit der Unrechtspolitik der US-Regierung in völlig anderen Zusammenhängen beschönigt oder gar gerechtfertigt wird. Es ist ein Fehler, die schlimmen Zustände in einem Land mit den noch schlimmeren Zuständen in einem anderen Land zu relativieren. Der Altkanzler sagt, wir (er meint die EU) hätten in Georgien nichts zu suchen. Er verkennt die Tatsache, dass die Georgier aber mit uns (also der EU) etwas zu tun haben wollen. Sie haben sich in mehreren Wahlen immer und immer wieder für einen deutlichen Kurs ausgesprochen, der sich nach Westen orientiert. Ebenso verhält es sich in der Ukraine. Nicht die EU schürt das Wunschdenken vieler Bürger in der Ukraine. Die unangenehme und korrupte Einflussnahme Moskaus ist es, die eine Sehnsucht der Menschen nach Freiheit und Wohlstand, nach einer liberalen und offenen Gesellschaft betreibt. Das zählt für den Altkanzler nicht. Schmidt ist fest verankert in seinem Weltbild von „da bist du, da bin ich“ und betreibt in solchen Aussagen vielmehr den „neuen“ Kalten Krieg weiter, ebenso wie Putin und seine Regierung. Putin und Schmidt sind in ihrer jeweiligen geschichtlichen Empfindung der Welt ganz nah bei einander. Der eine als „besonnener Aggressor“, der andere als „weltpolitischer Versteher“. Noch abstruser wird es, wenn Schmidt (der ein großer Fan Chinas ist) – oder auch sein Weggefährte Egon Bahr behaupten, man „könne Demokratie, so wie wir uns das vorstellen, nicht in andere Länder exportieren“. Vielleicht denken einige ziemlich einfältig radikale Republikaner in den USA so, aber die EU hat niemals eine aggressiv expansive Politik betrieben. Da irrt der Altkanzler. Sie hat in einigen Fällen vielmehr zu schnell auf Anfragen reagiert und Verhandlungen aufgenommen, die man hätte über eine längere Zeit strecken sollen. In Wahrheit schottet sich die EU ab und betreibt eine Politik des Bewahrens. Auch das verkennt der Altkanzler. Die Sehnsucht nach Freiheit und Selbstentfaltung führt eben in der momentanen Situation nach Europa. Sei es von Afrika aus ganz „individuell“ mit dem Boot oder als staatliches Ziel per Wahl und Regierungsbeschluss aus Osteuropa. Der Altkanzler sagt, wir hätten „in Georgien nichts verloren“. Kann sein, dass er nicht weiß, wovon er spricht. Georgien ist auch gerade nach der letzten Wahl ein eindeutig demokratisch, liberaler und freiheitlich gesinnter Staat. Die russische Regierung hat mit vielen Provokationen versucht, das Land einzuschüchtern, die Bevölkerung zu bestechen, falsche Pässe auszustellen, was bleibt sind die annektierten Gebiete Georgiens (Südossetien und Abchasien), die als Pfeiler russischer Vorherrschaft im georgischen Staatsgebiet bestehen. Ebenso verhält es sich mit Transnistrien in Moldau und nun mit der Krim in der Ukraine. Das alles verkennt der Altkanzler vor dem Hintergrund seiner alten verlebten Geschichte. Nicht die demokratischen Bewegungen, die für eine freie Gesellschaft demonstrieren und kämpfen sind Aggressoren, das alte, völlig überholte Denken ist es, das den Frieden gefährdet und bricht. Helmut Schmidt hat sich mit seinen Äußerungen in der BILD leider zu den letzteren eingereiht.

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    • eineweltdiplomaten schreibt:

      Nur eine Bemerkung: Die Mehrheit der Ukraine hat in der letzten demokratischen landesweiten Wahl eine Regierung gewählt, die einen Beitritt zur Nato ablehnt und eine Brücke zwischen Russland und dem Westen sein wollte. Fast alle Ostukrainer haben für diese Regierung gestimmt. Sie ist aber von den Westurkrainern, deren favoritisierte Parteien bei den Wahlen abgewählt wurden mit massiver Hilfe der USA gestürzt worden, verfassungswidrig. Damit wurde die Demokratie zerstört und die Freiheit der Ukrainer, eine Regierung zu wählen, die nicht dem US-Wunsch folgen wollte, an der russischen Grenze einen die Nato zu installieren. Und meinen Sie, dass es Vertrauen schafft, wenn der Westen einfach sein Versprechen bricht, die Nato nicht über Deutschland an die russische Grenze auszudehnen. Hat Russland nicht auch aus seiner Geschichte heraus berechtigte Sicherheitsinteressen? Zumindest für die Ukraine haben Sie also meines Erachtens Unrecht und Schmidt recht. Nun den den Zusammenhängen, man kann nicht Völkerrecht bei anderen einfordern, wenn man es selbst permanent bricht, wie im Irak oder Libyen, und da waren auch die EU-Mitglieder Großbritannien und Frankreich und die Nato beteiligt.

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  3. Markus Bartl schreibt:

    Danke für die Veröffentlichung! – Wenn Sie von der „letzten demokratischen Wahl“ in der Ukraine schreiben, beziehen Sie sich sicherlich auf die Wahl, nach der Janukowich Präsident wurde. Es ist richtig, dass die Mehrheit ihn wählte, viele waren zurecht mit den Regierungen davor sehr unzufrieden. Richtig ist auch, dass die absurde Idee der Bush-Regierung, die Ukraine könne Mitglied der Nato werden, auch in der Ukraine als kontraproduktiv empfunden wurde, weniger weil die Mehrheit das prinzipiell ablehnt, sondern weil man eben die bis dahin noch einigermaßen guten Verhältnisse zu Russland nicht gefährdet sehen wollte. Die meisten westlichen Regierungen haben diesen absurden Vorschlag auch abgelehnt. Es ist wirklich ärgerlich, dass diese Idee in die Welt gesetzt wurde, denn sie dient bis jetzt als Argument für einen „russischen Anspruch“ auf Einflussnahme in souveränen Staaten. Aber dazu weiter unten. – Es ist ebenso richtig, dass in der Präsidentschaft Janukowich die sowieso schon immense Korruption im Land noch anwuchs, die Verfassung noch „präsidialer“ wurde, in den Augen vieler Ukrainer undemokratischer und der Präsident einen enormen Reichtum anhäufte, während die Wirtschaft immer schwächer und die öffentlichen Kassen immer leerer wurden. Die Orientierung zum „russischen Modell“ wurde und wird von einer überwältigenden Mehrheit – auch im Osten der Ukraine – abgelehnt. Janukowich hat die Erwartungen vieler Bürger sehr enttäuscht und die Unzufriedenheit mit der Regierung war vor den Maidan Bewegungen auch im Osten der Ukraine eindeutig zu spüren. Nachdem der Präsident aus einer Zwangssituation heraus, in die er sich selber manövriert hatte, und der Druck Moskaus immer größer wurde, das Abkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen, ließ er von einem Tag auf den nächsten die finalen Verhandlungen und die Unterzeichnung platzen. Das brachte die ersten Menschen auf die Straßen. Es ist also nicht die Maidan Bewegung, die die Demokratie in der Ukraine beschädigt hat, sondern schon lange im Vorfeld der demokratisch gewählte Präsident Janukowich, der sich als schwach und abhängig erwiesen hat, was viele sowieso schon befürchtet hatten.
    Das Versprechen, die Nato nicht über eine bestimmte Grenze auszuweiten, gilt als „umstritten“. Nichts desto trotz ist es selbstredend klar, dass jedes Land ein Recht auf „Sicherheit“ hat. In den Verhandlungen ging es auch nicht um ein Abkommen mit der NATO, sondern mit der EU. Das ist ein gravierender Unterschied und sollte in den Argumentationen nicht vermischt werden. Jedes Land hat auf „Sicherheit“ wohlgemerkt ein Recht und auf die freie Wahl der Partner, die es sich zur Stabilisierung seiner eigenen Interessen auf friedlichem Wege sucht. Die russische Regierung stellt die russischen Interessen seit einigen Jahren deutlich über die Interessen einiger anderer Länder – und handelt dementsprechend imperialistisch. Die Beweggründe mögen vielseitig sein, und – wie Sie zurecht schreiben – erklärbar aus der Geschichte Russlands und seiner Rolle in der ehemaligen Sowjetunion. Das imperiale Gehabe der russischen Regierung und die innenpolitische Entwicklung hin zu einer reaktionär-konservativen bislang auch nationalistischen Tendenz erklärt sich in der Tat aus einem Gefühl von Verlust von Macht und Größe, was in Wahrheit ein äußerst brisante und gefährliche Entwicklung darstellt. Es ist verständlich, wenn junge Nationen wie Georgien oder die Ukraine diese Entwicklung mit großer Skepsis verfolgen und damit immer weniger zu tun haben wollen, stellt doch dieser „russische Nationalismus“ ihren jeweils eigenen in Frage. Ich möchte nicht das Wort reden für die ukrainischen Rechten, die es in der Tat gibt, aber bei weitem in der Minderheit sind, anders, als es in der russischen Propaganda beschrieben wird. Ich möchte nur verdeutlichen, dass ich die Ursache für die Konflikte innerhalb der Ukraine nicht beim Westen sehe, sondern in der hegemonialen Bestrebung Russlands und vor allem in der Art und Weise, wie diese ausgeübt wird. – Janukowich hätte das Abkommen mit der EU unterzeichnen können und trotzdem einen Vertrag mit Russland aushandeln können. Das „Entweder-Oder“ kam aus Russland, nicht von der EU. Aber Janukowich war zu sehr Russlands Marionette, als dass er sich das hätte trauen können.
    Nun noch ein Wort zu Ihrer Bemerkung, dass man nicht das Völkerrecht einfordern könne, wenn man es selber dauernd bricht. – Da bin ich völlig Ihrer Meinung und empfinde es als beschämend, wenn meine Regierung oder Vertreter unserer „Freunde“ eine Politik betreiben, die ebenso selbstbezogen und „auf den eigenen wirtschaftlichen Vorteil“ bedacht ist. Ich bin stolz darauf, dass die damalige deutsche Regierung den Waffengang in den Irak verweigert hat. Ich betrachte die Anerkennung des Kosovo nach wie vor sehr kritisch. Ich kann und will mich nicht damit abfinden, dass Deutschland ein großer Rüstungsexporteur ist. Aber es ist ein Fehler, eine unverschämte und kriegerische Politik der „einen“ Seite als Argument für eine „andere“ Seite zu gebrauchen. Das führt zu nichts und verstellt den klaren Blick auf die wirklichen „Vorfälle“ und auf die Gegenwart.
    Herzliche Grüße, MB

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